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25.10.2022

Initiativkraft für die Heilpflanzenzüchtung

Zum Abschied von Andreas Ellenberger aus dem Vorstand und als Präsident von Hortus Officinarum

Michael Straub

Als Andreas vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal von der Idee sprach, einen Verein zur Erhaltung und Pflege des Saatguts von Heilpflanzen zu gründen, stand er noch voll im Berufsleben, aber die Rente war schon in greifbarer Nähe. Andreas war besorgt wegen fehlendem biologischem und biologisch-dynamischem Saatgut bei zahlreichen Arten, die für Komplementärmedizin und Naturkosmetik unverzichtbar waren. Auf der Suche nach Weggefährten, die sein Anliegen teilten, eine dem Wesen der Pflanzenart angemessene Züchtung zu initiieren, sprach er zunächst Amadeus Zschunke an. Dieser war schon damals ein ausgewiesener Fachmann für Züchtungsfragen. Als nächsten Verbündeten konnte er Michael Straub ins Boot holen, der als Leiter des Weleda Heilpflanzenanbaus und Artenschutzbeauftragter die Aktualität des Themas ebenfalls erkannt hatte. 

Umgeben vom wunderschönen Ambiente des Wala-Heilpflanzengartens gründeten wir an Pfingsten 2008, anknüpfend an den von Rudolf Steiner zur Pfingstzeit 1924 gehaltenen „Landwirtschaftlichen Kurs“ den Verein Hortus Officinarum. Den von Andreas vorgeschlagenen eingängigen Namen, der zu Deutsch „Garten der heilkräftigen Pflanzen“ bedeutet, fand im Gründungskreis sofort Anklang. Als weiteres Mitglied des Vorstands konnten wir den damaligen Leiter des Wala-Gartens Rolf Bucher gewinnen. Nach einiger Zeit kamen Klaus-Dieter Winter und Margrith Käser dazu, Rolf Bucher schied später berufsbedingt wieder aus.

Einen guten Start hatte das Unterfangen auch insofern, als sich die beiden Heilmittelhersteller Wala und Weleda mit grosszügigen Gönnerbeiträgen einbrachten und sich zahlreiche anthroposophische Ärzte und Pharmazeuten als Mitglieder dazugesellten.

Kurz nach der formellen Gründung wurde der erste Arbeitsvertrag mit Ruth Richter geschlossen. Sie war schon längere Zeit am Goetheanum mit Heilpflanzen wissenschaftlich tätig und interessierte sich für die Züchtung von Heilpflanzen. Nun konnte es richtig losgehen. Glücklicherweise durfte Ruth ihr Büro in der naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum weiter nutzen und konnte ihre bisherige Arbeit mit der neuen Tätigkeit für Hortus verbinden. Es ergaben sich im weiteren Verlauf ideale Kooperationen mit der Weleda-Gärtnerei sowie der Gärtnerei am Goetheanum, wo der praktische Anbau durchgeführt wurde. Die gemeinsame Arbeit wurde schnell ein Erfolgsmodell, umso mehr als neben einer breiten Erhaltungszüchtung eine Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Bundesamt für Landwirtschaft entstand. Im Rahmen von so genannten NAP-Projekten konnten bis zum heutigen Tag über 100 Akzessionen für die staatliche Genbank regeneriert und dokumentiert werden. Mit gezielten Selektionen z.B. von Calendula officinalis, Solidago virgaurea, Primula veris, Bellis perennis und Echinacea angustifolia wurden Verbesserungen und Vereinheitlichungen erzielt. In Zusammenarbeit mit der Naturwissenschaftlichen Sektion begleitete Hortus zudem eine gezielte Vermehrung von Astragalus exscapus an einem natürlichen Wildstandort am Südhang des Lötschbergs (Kanton Wallis/Schweiz), da sich diese Art in unseren Gärten bisher einer Kultivierung widersetzt hatte.

Zur Beurteilung der Herkünfte wurde ein Aufnahmebogen mit drei Stufen der Inkulturnahme bzw. der durchgeführten Pflegemassnahmen entwickelt und den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Auch “Hortus-Data“ wurde aufgebaut, eine Dokumentation der für die anthroposophische Therapierichtung verwendeten Saatgut-Herkünfte. An der jährlich in Dornach stattfindenden Landwirtschaftlichen Tagung zeigte Hortus durch einen Stand Präsenz und informierte über die aktuellen Tätigkeiten. Weitere Kooperationen mit Wala und Sativa Rheinau sowie viele Publikationen für diverse Fachzeitschriften sind entstanden. 21 Rundbriefe für die Mitglieder wurden erstellt, Inkulturnahmen wie z.B. die der CITES-Pflanze Hydrastis canadensis, wie auch Selektionen mit Hypericum perforatum, Onopordum acanthium u.a. wurden durchgeführt.

Andreas Ellenberger und Ruth Richter auf dem Samenbaukurs im Rüttihubelbad, 2015

Als Qualität der Zusammenarbeit mit Andreas ist seine stetige Wachsamkeit für das, was zwischen den Menschen vorgeht, hervorzuheben. Nicht zuletzt, weil er sich immer um die Gestaltung der sozialen Prozesse gekümmert hat, war es möglich, dass der Verein organisch gewachsen ist und jetzt von mehreren MitarbeiterInnen weitergeführt werden kann. Als Pionierteam haben sich Andreas und Ruth wunderbar ergänzt: während Andreas immer auf der Suche nach innovativen Ideen und neuen Leuten Projekte an Land zog, hat Ruth diese angepackt, mit Beharrlichkeit durchgeführt und weitergetragen. Sie hatte auch ein wachsames Auge auf Andreas‘ feurige, manchmal allzu grosszügige Innovationswünsche. Einer, der den Fortgang in die Zukunft befeuert im Verbund mit der Kraft der Beharrlichkeit, die die irdischen Verhältnisse würdigt – das war eine befruchtende Zusammenarbeit.

Der Wissensvermittlung dienten mehrere gut besuchte Heilpflanzen-Seminare und Kurse zum Umgang mit Saatgut. Im Jahre 2016 konnte Nora Hils als weitere Mitarbeiterin für die praktische Arbeit gewonnen werden. Nicole Söll stiess ebenfalls 2016 dazu, Violeta Henry 2019 und Christoph Hatebur im Jahr 2021.

Eines der eindringlichsten Erlebnisse, die wir mit Andreas hatten, war eine Exkursion in die Vogesen zu den Arnika-Sammelgebieten. Andreas erläuterte uns gerade den Genius loci des Ortes mit seiner Lage im Dreieck Belchen-Grand Ballon und Basler Münster sowie den Kriegsschauplätzen aus dem ersten Weltkrieg. In diesem Moment zog ein Gewitter auf, alle Elementarwesen wurden physisch spürbar und begleiteten die Erläuterungen von Andreas wohlwollend, jedoch mit Donner, Wolken und Regen.

Andreas hatte offensichtlich die Elementargeister auf seiner Seite. Es ist kein Wunder, dass er in seiner beruflichen Laufbahn immer auf der Spur des „Lebendigen“ geblieben ist. Auf den vielen Stationen, die ihn geprägt haben, von seinem naturwissenschaftlichen Studium der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich über viele praktische Erfahrungen in seiner eigenen Gärtnerei, als Züchter am Ekkharthof – als Schüler von Ilmar Randuja – sowie als Leiter der Weleda-Rohstoffbeschaffung in der Schweiz und der dazugehörigen Gärtnerei, entwickelte er ein Gespür für die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des „Lebendigen“. Dieses Gespür und die gründliche naturwissenschaftliche Ausbildung in Kombination mit dem Studium der Anthroposophie macht ihn zu einer Art Universalgelehrten unserer Zeit. Dies alles kam natürlich auch Hortus zugute. Mit seinem Ideenreichtum, seiner schier unerschöpflichen Tatkraft und seinen profunden Kenntnissen hat er uns manche Stunde und manchen Tag vorangetrieben. Wir Vorstände und Mitarbeiter von Hortus, und ich denke auch alle Mitglieder hoffen, dass uns Andreas auch weiterhin als Freund, Unterstützer und Ratgeber zur Seite steht in dieser turbulenten Zeit mit ihren enormen Herausforderungen. Wir wünschen Dir, lieber Andreas noch viele gesunde Jahre im Kreis deiner Familie und deiner zahlreichen Freunde. Danke für Alles!!