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Pflanzenporträt

Bryonia dioica

Zweihäusige Zaunrübe

Die Zaunrübe wird seit der Antike in Europa als Heilpflanze angewendet. Vielleicht, weil sie in der Schweiz nur an den wärmsten Orten vorkommt, ist ihre Giftigkeit nicht sehr bekannt, obwohl alle Pflanzenteile giftig sind. Deshalb gilt die volksmedizinisch tradierte Anwendung der Pflanze als obsolet, sie wird jedoch in homöopathischen Rezepturen von über zehn schweizerischen Firmen verwendet und daher nach wie vor in kleinen Mengen angebaut. Das schön geformte Blattwerk mit Ranken und roten Beeren verleihen ihr trotz der unscheinbaren Blüten auch einen ornamentalen Charakter. Bryonia HORTUS ist eine über Jahre an die klimatischen Verhältnisse des Schweizer Mittellandes angepasste Akzession.

Bryonia ist als einzige Gattung ihrer Familie (Cucurbitaceae) in den gemässigten Zonen Mittel-und Südeuropas heimisch. Andere Vertreter wie Gurke, Kürbis und Melone kommen zwar häufig, aber nur im Anbau oder verwildert vor. Die vorwiegend im östlichen Mittelmeergebiet und in Westasien verbreitete Gattung umfasst 12 Arten, alles mehrjährige Kletterpflanzen, von denen sich zwei in der Schweiz finden: Bryonia dioica (syn. Bryonia cretica subsp. dioica) an Hecken, Mauern und Schuttplätzen in der Westschweiz und den wärmsten Stellen des Mittellandes; und Bryonia alba, die Weisse Zaunrübe, die sehr selten im Mittleren Rhonetal und im Rheintal vorkommt.

Der Name ‚Zweihäusige Zaunrübe’ beschreibt gleich drei morphologische Eigenschaften der Art. Erstens befinden sich Pollen- und Samenblüten auf verschiedenen Pflanzen. Beide entspringen ab Ende Mai den ganzen Sommer über den Blattachseln, die Pollenblüten in Trauben, die Samenblüten in doldenförmigen Büscheln. Die weitglockigen Blüten sind mit ca. 1 cm Durchmesser und ihrer grünlich weissen Farbe eher unscheinbar. Sowohl die Kronals auch die Kelchblätter sind basal miteinander verwachsen. Erstere sind bei den Pollenblüten fast doppelt so lang wie die Kelchblätter, während bei den weiblichen Blüten beide gleich lang sind – sie sind erheblich kleiner. Der Fruchtknoten ist deutlich unterständig (siehe Abb. oben). Aus ihm bilden sich nach der Befruchtung 5-8 mm grosse runde Beeren, die sich von grün über orange nach rot verfärben und von Vögeln verbreitet werden. Sie enthalten jeweils drei bis sechs gelblich-weisse, tropfenförmig zusammengedrückte Samen. Zweitens bildet die Pflanze kein Stützgewebe, sondern rankt sich mit einer beachtlichen Wuchsleistung an Zäunen, Hecken oder Gehölzen empor. Das stürmische Wachstum der Triebe zeigt sich in einer Länge von 3-4 m und in den weit ausladenden rauhhaarigen Ranken, die sich bei jeder Berührung nach wenigen Minuten krümmen. Sie werden seitlich der Blattachseln gleichzeitig mit den Blättern gebildet. Die gestielten Blätter sind beidseits kurzborstig behaart, ebenso wie die Sprossachse. Ihre Spreite ist tief fünfteilig gelappt und am Grund herzförmig mit leicht gezackten Blatträndern.

Drittens verdickt sich die Wurzel der Zaunrübe stark und kann nach einigen Jahren wie eine Rübe mehrere Kilo schwer werden. Gräbt man eine mehrjährige Wurzel aus, scheint sie mit ihrer gewaltigen Grösse in einem eigentümlichen Missverhältnis zu ihren dünnen, langen Trieben zu stehen. Die Wurzel ist aussen graugelb, innen weisslichgelb und schleimig. Nachdem sie im Boden überwintert hat, treiben schon früh im Frühjahr zahlreiche Sprosse aus. Auch wenn man im Sommer die Triebe entfernt, wachsen schnell neue nach.

Anbau und Ökologie

Die Zaunrübe bevorzugt humose, nährstoffreiche und feuchte Böden an sonniger oder halbschattiger Lage. Die Aussaat erfolgt im Frühjahr im Gewächshaus oder Freiland direkt in Töpfe. Die Samen müssen gut mit Erde bedeckt werden (Dunkelkeimer) und keimen nach 10-15 Tagen. Beim Anbau für Saatgut ist wegen der Zweihäusigkeit zu berücksichtigen, dass man das Zweifache der gewünschten Pflanzenanzahl braucht, da nur mit ca. 50% samentragenden Pflanzen gerechnet werden kann. Ab Mitte April kann gepflanzt werden. Man errichtet mit Vorteil vor der Pflanzung ein Rankgerüst. Die Jungpflanzen sind extrem schneckengefährdet und müssen geschützt werden. Die Wurzeln werden vor dem Frühjahrsaustrieb im Winter ab dem zweiten Vegetationsjahr geerntet. Trotz ihrer Giftigkeit
werden sich von Mäusen gefressen, ein Schutz ist empfehlenswert.

Bei der Ernte sowohl der Wurzel wie auch der Beeren sind unbedingt Handschuhe zu tragen, da austretender Saft Hautreizungen bis hin zur Blasenbildung hervorruft.

Die Blüten von Bryonia dioica werden hauptsächlich von Bienen und Hummeln bestäubt. Die Sandbiene Andrena florea ernährt ihre Brut sogar ausschliesslich mit Pollen von Zaunrüben. Sowohl weibliche als auch männliche Blüten enthalten in einer durch die Verwachsung von Kelch und Krone gebildeten napfartigen Vertiefung Nektar. Um zu ihm zu gelangen, muss die Biene sich zwischen den dicht zusammenstehenden Pollensäcken hindurch quetschen und wird dabei tüchtig mit Pollen bestaubt, den sie beim Besuch einer weiblichen Blüte abstreift.

Inhaltsstoffe und Indikationen

Aus der Wurzel von Bryonia dioica wurden mehr als zwanzig verschiedene Cucurbitacine extrahiert, z.B. Bryonin und Bryonidin in glykosidischer Bindung. Cucurbitacine sind triterpenoide, tetrazyklische Bitterstoffe, die auch in anderen Gattungen der Familie auftreten. Ferner enthält die stärkehaltige Wurzel ätherische Öle, Gerbstoffe und Saponine. Auch die Beeren enthalten giftige Wirkstoffe. Die Gefährlichkeit, aber auch die Heilwirkung der Zaunrübe war schon Dioskurides und Hippokrates in den ersten Jahrhunderten n. Chr. bekannt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in der europäischen Volksmedizin Zubereitungen aus der Wurzel oder ihrem Saft als drastisches Abführmittel, als Abortivum, bei Erkrankungen der Atemwege, Rheuma und Stoffwechselstörungen verordnet. Äusserlich kam Wurzelöl oder getrocknete Wurzel als Absud oder Pulver bei Geschwüren, Quetschungen und ödematösen Schwellungen des rheumatischen Formenkreises zur Anwendung.

Heute wird insbesondere Laien von der Anwendung der Droge abgeraten. Wegen der starken Nebenwirkungen erscheint die allopathische Verwendung nicht mehr vertretbar. Bryonia dioica wird nur noch homöopathisch eingesetzt. Ein Hauptanwendungsgebiete sind exsudative Entzündungen der serösen Häute wie etwa bei Pleuritis, Bronchitis und Pneumonie, aber auch Gastritis, und rheumatische Erkrankungen wie Arthritis, Polyarthrits und Gicht.