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PflanzenportrÀt

Leontopodium alpinum

Edelweiss
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Zahlreiche Mythen erzählen, dass Liebende das Edelweiss – Symbol der reinen Liebe und Wertschätzung – nur unter Lebensgefahr beschaffen konnten. Dies impliziert Hinweise auf die Orte seines Vorkommens: Die alpine Pflanze wächst wild häufig an extrem exponierten Standorten, auf kargen Felsbändern in luftiger Höhe. In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden aufgrund einer starken Nachfrage aus der Heilmittel- und Kosmetikindustrie in der Schweiz erfolgreich Anbauversuche durchgeführt. Leontopodium alpinum ist ein Beispiel für eine einheimische Wildart mit Potential für die Verwendung im Bereich der Kosmetik- und Medizinalpflanzen. Die Art findet sich auf der Liste der prioritären mit Kulturpflanzen verwandten Wildarten (crop wild relatives, CWR) für die Schweiz, die von einer interdisziplinären Expertengruppe 2009 im Rahmen eines NAP-Moduls bestimmt worden ist.

Als typische Hochgebirgspflanze wächst das Edelweiss ausschliesslich oberhalb der Waldgrenze in den Alpen, den Pyrenäen, den Karpaten und in den Balkangebirgen an meist südwärts orientierten Felsen oder auf steinigen Matten. Die zur Familie der Asteraceae gehörende Gattung Leontopodium umfasst ca. 35 Arten, die hauptsächlich in zentral- und ostasiatischen Gebirgen und Steppen verbreitet sind.

Am Wildstandort auf 1’800 bis 3’000 m.ü.M ist die Pflanze Licht, Wind, Trockenheit und Kälte ausgesetzt und behauptet sich auf nährstoffarmem Untergrund. Sie kommt mit einer starken UV-Strahlung, niedrigem atmosphärischem Druck und extremen Wechseln von Temperatur und Luftfeuchtigkeit zurecht. In Anpassung an die extremen Bedingungen finden wir einen gestauchten Blütenstand vor, der mehrere Blütenkörbchen auf einer Ebene vereinigt. Umgeben von einem Kranz von silbern-samtigen Hochblättern wirkt er wie eine einzige Blüte. Dieser hohe Organisationsgrad der Infloreszenz – man kann sie als Blüte dritter Ordnung bezeichnen – mag dazu geführt haben, dass das Edelweiss auch als "Königin der Alpen" bezeichnet wird.

Unter natürlichen Bedingungen wird das Edelweiss nur 5-20 cm hoch. Die ganze Pflanze ist weissfilzig und spinnwebig behaart. Aus einer grundständigen Rosette erheben sich ein oder mehrere unverzweigte blütentragende Triebe, die im Gegensatz zu anderen hochalpinen Arten gleichmässig mit schmal-lanzettlichen Blättern besetzt sind. Mehrere Blütenköpfchen in wechselnder Anzahl tragen winzige gelbe Röhrenblüten und vereinigen sich in der Mitte der unregelmässig sternförmig ausgebreiteten Hochblätter zu einer Scheinblüte. Das weiss schimmernde Haarkleid der Hochblätter besteht nach physikalischen Untersuchungen aus Fasern mit einem Durchmesser von 0,18 Mikrometern, die die UV-Strahlung absorbieren und vor Verdunstung und Wärmeverlust schützen. Das übrige Licht wird aber durchgelassen, so dass die Blätter dennoch Fotosynthese betreiben können.

Anbau und Ökologie

Erste Kultivierungsversuche mit Saatgut von Wildstandorten in der Forschungsanstalt für Pflanzenbau Agroscope in Conthey (VS/Schweiz) in den neunziger Jahren ergaben eine starke phänotypische Variabilität und somit sehr heterogene Populationen von Leontopodium alpinum. Anbauversuche in verschiedenen Höhenlagen zwischen 400 und 2300 m.ü.M. zeigten aber auch eine starke Reaktion auf die in der Kultur veränderten Umweltbedingungen: der typisch komprimierte Habitus der Wildpflanze stellt sich nur in Höhenlagen über der Waldgrenze ein, während in gepflegten Kulturen ein üppiger Wuchs mit bis zu 30 cm Höhe erreicht wird. Aus Kreuzung und Selektion der schönsten und blühwilligsten Typen entstand die Sorte "Helvetia", die sich auch für die Kultur in Gärten eignet. Aufgrund der Nachfrage aus der kosmetischen Industrie, die das hautschützende Potential des Edelweisses nutzt, ergibt sich durch den Anbau für kooperativ organisierte Bergbauernbetriebe in mittleren Höhenlagen ein Beitrag zur Existenzsicherung.

Für die Herstellung von homöopathischen Heilmitteln gelten andere Prioritäten. Insbesondere in der anthroposophisch erweiterten Medizin geht man davon aus, dass die Heilkraft gerade mit den typischen morphologischen Eigenschaften der Wildpflanze einhergeht, was sich auch in der Qualität und Konzentration der Wirkstoffe spiegelt. Daher werden hier die Schwierigkeiten im Anbau und die kleineren Erträge in höheren Lagen in Kauf genommen, zumal vergleichsweise wenig Pflanzenmaterial benötigt wird.

Die Akzession "Edelweiss Hortus" stammt aus der Vermehrung von Pflanzen, deren Saatgut an einem Wildstandort in Graubünden gesammelt worden ist. Sie wurden in einer Gärtnerei vorgezogen und auf einem Bergbauernbetrieb in ca. 2000 m.ü.M. angebaut. Bei der Kultur in Höhenlagen muss damit gerechnet werden, dass allein durch ein Umbrechen der Krautschicht und gründliche Bodenbearbeitung vor dem Pflanzen viele Nährstoffe mobilisiert werden. Es hat sich gezeigt, dass die kultivierten Pflanzen in den ersten beiden Jahren auch ohne Düngung bedeutend kräftiger geworden sind als diejenigen aus natürlichen Edelweissvorkommen auf den umgebenden Wiesen. Dies kann vermieden werden, indem man in Pflanzlöcher pflanzt. Um eine gute Verwurzelung zu erreichen, sollte im ersten Jahr eine vorsichtige Beikrautregulation erfolgen. Auf einer umgebrochenen Parzelle glich sich der Habitus der kultivierten den wild wachsenden Pflanzen erst im dritten Jahr nach der Pflanzung an, als die Begleitflora nicht mehr gestört wurde. Bei Anzucht im Gewächshaus ab Januar (Lichtkeimer; Saatgut nur andrücken!) können bis zu 70% der Jungpflanzen schon im ersten Jahr Blüten bilden.

Die Blütenkörbchen innerhalb einer Scheinblüte blühen von innen nach aussen auf. Die Ernte von blühendem Kraut sollte erfolgen, bevor sich die Körbchen in der Mitte gelb färben. Für die Samenernte werden die Blüten wegen der ohnehin kurzen Vegetationsperiode erst kurz vor dem ersten Schnee geerntet und anschliessend getrocknet. Die einen Pappus tragenden Früchte sind ca. 1mm lang und extrem leicht (TKG ca. 0,13 g), so dass sie sich mit dem Wind verbreiten können. Bestäuber sind vor allem Fliegen, Schwebefliegen, Wildbienen, Falter und Käfer.

Indikationen und Inhaltsstoffe

Der Name "Bauchwehkraut" erinnert an die Verwendung des Edelweisses bei Bauchschmerzen und Durchfall in der europäischen Volksmedizin. Ferner wurde das Edelweiss zur Behandlung von rheumatischen Schmerzen, Husten, Bronchitis und Diphterie eingesetzt. Diese Anwendungen sind durch neuere Untersuchungen der antimikrobiellen Aktivität von Extrakten aus Leontopodium alpinum bestätigt worden. In der anthroposophisch erweiterten Medizin ist der potenzierte Extrakt Bestandteil eines Arzneimittels, das bei Taubheit durch Otosklerose und dem Ménière-Symptomkomplex eingesetzt wird.

Die Kultivierung der geschützten Art hat aber vor allem mit der therapeutischen und kosmetischen Nutzung ihrer hautschützenden Eigenschaften begonnen. Die Zunahme der UV-Strahlung und andere Umwelteinflüsse begünstigen Stoffwechselprozesse, bei denen sich aus molekularem Sauerstoff in Zellen so genannte "freie Radikale" bilden. Es handelt sich dabei um aggressive Moleküle, die in vielen zellbiologischen Prozessen, wie z.B. bei der Hautalterung, eine wichtige Rolle spielen. Aufgrund zahlreicher Studien, die einer Reihe von verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen eine Wirkung – als so genannte Antioxidantien – gegen die dabei entstehenden Zellschäden beilegen, wird deren Einsatz in Prophylaxe und Therapie in der Wissenschaft verstärkt diskutiert und untersucht.

Es liegt nahe anzunehmen, dass die Anpassung an Standorte mit starker UV-Bestrahlung und Feuchtigkeitsschwankungen beim Edelweiss zur Entwicklung von Schutzmechanismen geführt hat, die sich auch in seiner Substanzkomposition niederschlagen. Dies hat sich insofern bestätigt, als aus Extrakten der oberirdischen Pflanzenteile von Leontopodium alpinum ein bisher nicht bekannter Inhaltsstoff extrahiert und identifiziert werden konnte, der in verschiedenen Tests stark antioxidative Wirkungen aufweist. Die äussere Anwendung von Edelweissauszügen zum Schutz der Haut bei Kälte und Sonneneinstrahlung kann somit substantiell begründet werden.